Leistenbruch

Wenn die Leiste nachgibt

Wie entsteht ein Leistenbruch?
Der Leistenkanal verläuft schräg durch die Schichten der vorderen Bauchwand. In ihm verlaufen wichtige Nervenbahnen, Blut- und Lymphgefäße. Beim Mann umschließt er außerdem den Samenstrang, bei der Frau das sog. runde Mutterband der Gebärmutter mit den begleitenden Gefäßen und Nerven.
Die Leistenregion ist eine natürliche Schwachstelle des Menschen. Gerade der Leistenbereich ist häufig sehr starken Belastungen ausgesetzt, meist durch Druckerhöhung im Bauchraum. Ein umgebendes System aus kräftigen Muskeln, Bändern und Faszien (unelastische Bindegewebshüllen um Muskeln und Muskelgruppen) schützt die empfindlichen Strukturen im Leistenkanal weitgehend vor Verletzungen wie Quetschungen oder Zerrungen.
Dennoch weisen die Bindegewebsstrukturen der Bauchwand in diesem Bereich Schwachstellen auf. Beim Leistenbruch kommt es an einer solchen Stelle zur Lückenbildung. Durch den Druck im Bauchraum wölbt sich durch diese Lücke (Bruchpforte) ein Bruchsack aus Bauchfell zusammen mit Baucheingeweiden (Bruchinhalt) in den Leistenkanal vor.
Als Schwachstellen bei der Entstehung gelten Muskel- bzw. Faszienlücken sowie Durchtrittsstellen von Nerven, Gefäßen und Samenstrang. Operationen, bei denen ein Bauchschnitt vorgenommen wurde, sowie das Vorliegen einer Bindegewebsschwäche erhöht das Risiko für einen Leistenbruch ebenfalls deutlich.
Üblicherweise entsteht ein direkter Leistenbruch dann in Verbindung mit einer Drucksteigerung im Bauchraum durch Husten, Erbrechen, dem Heben schwerer Lasten, Verstopfungen oder in der Schwangerschaft. Auch Übergewicht begünstigt die Erkrankung.
Da in seltenen Fällen auch Tumoren im Enddarm Leistenbrüche verursachen können, ist die rektale Untersuchung bei Erwachsenen über 35 Jahren als Tumorfrüherkennung dringend empfohlen.

Wie merke ich ihn? Wo tritt er auf?
Das Hauptsymptom eines Leistenbruchs ist eine Bruchgeschwulst, die sich meist gut sicht- und tastbar in der Leistenregion befindet. Schmerzen beim Heben schwerer Lasten oder Pressen (z.B. beim Stuhlgang) kommen häufig vor. Im Übrigen findet sich meist nur ein leichter, ziehender Schmerz im Leistenbereich der betroffenen Seite, der sich auf Druck hin verstärkt und gelegentlich in den Hodensack bzw. die Schamlippen ausstrahlen kann. Die sonstige körperliche Leistungsfähigkeit ist in vielen Fällen kaum eingeschränkt.
Erst eine Einklemmung (Inkarzeration) der ausgetretenen Eingeweide äußert sich durch massive Schmerzen, häufig gepaart mit Übelkeit und Erbrechen. Hierbei handelt es sich um einen absoluten Notfall, der sofortiges Handeln erforderlich macht, da sonst schwerwiegende Komplikationen drohen!

Was tue ich, wenn ich einen Leistenbruch entdecke?
Es sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden um zu beurteilen ob es sich um einen behandlungsbedürftigen Bruch handelt. Eine Abgrenzung zwischen direkten und indirekten Leistenhernien ist vor allem für die Operationsplanung von Bedeutung. Viel wichtiger ist die Beschreibung der Bruchsituation als reponibel, irreponibel oder inkarzeriert. Reponible Brüche -also Brüche, welche manuell in den Bauchraum zurückgedrückt werden können- sind am häufigsten und bereiten am wenigsten Beschwerden. Irreponible Hernien, also solche, bei denen der Bruchinhalt nicht zurückgeschoben werden kann, sind hingegen meist mit Verwachsungen verbunden und die Gefahr einer Einklemmung (Inkarzeration) ist wesentlich größer. Liegt eine derartige Einklemmung vor, so ist dies eine Indikation für einen sofortigen operativen Eingriff.

Ist die Neigung zu einem Leistenbruch auch genetisch bedingt?
Bindegewebsschwächen, welche genetisch bedingt sein können, begünstigen die Entstehung von Brüchen.

Kann Fitness-Training eine Ursache sein?
Bei falsher Ausführung von Übungen, die zu einer starken Druckerhöhung im Bauchraum führen (Gewichtestemmen o.ä.) kann es bei Patienten mit schwachem Gewebe zurr Begünstigung eines Bruches kommen. Daher sollte vor jeder Aufnahme von Bodybuildingübungen eine Untersuchung erfolgen und die Anweisungen und Ratschläge der Trainer zur Druckentlastung befolgt werden.

Hat der Leistenbruch auch etwas mit Übergewicht zu tun?
Durch die zunehmende Einlagerung von Fett ins Bindegewebe und die Vorbelastung des Gewebes durch das Eigengewicht kann eine Leistenbruchentstehung begünstigt werden.

Wann wird der Leistenbruch gefährlich?
Die wichtigste und gefährlichste Komplikation eines Leistenbruchs ist die Brucheinklemmung, die sog. Inkarzeration. Werden Darm oder andere Bauchorgane z.B. durch Niesen im Bruchsack bzw. in der Bruchlücke eingeklemmt, so kann es in kurzer Zeit durch Stauung des Blutes, Schwellung der Darmwand und Drosselung der Blutzufuhr zu einem Darmverschluss, zum Absterben von Darmgewebe (Nekrose), zum Darmdurchbruch und schließlich zu einer entzündlichen Reizung des Bauchfells (Peritonitis) kommen.
Eine anderes Problem ist eine mögliche Koteinklemmung im Bruchbereich, bei der durch die Verlegung der ausführenden Darmschlinge ein Darmverschluss droht. Unter einem Darmverschluss (Ileus) versteht man ganz allgemein die Unterbrechung der Darmpassage, diese kann neben den genannten Möglichkeiten z.B. auch durch Entzündungsreize im Bauchraum, andere Hindernisse im Darmbereich, durch verschiedene Stoffwechselkrankheiten oder aber durch chirurgische Eingriffe bedingt sein.
Vom Darmverschluss abzugrenzen ist die Darmwandeinklemmung, bei der die Passage erhalten bleibt sowie eine Entzündung der Hernie, die häufig durch permanente Reizung des Bruchinhalts ausgelöst wird und eine Brucheinklemmung nur vortäuscht.

Wann muss operiert werden?
Bei Darmverschluss oder Einklemmung sofort. Dauerhaft kann ein Bruch fast ausschließlich durch eine Operation beseitigt werden. In seltenen Fällen können kindliche Leistenbrüche spontan heilen.

Ein eingeklemmter Bruch muss schnellstmöglich beseitigt werden. Ist die Inkarzeration nicht innerhalb von 4-6 Stunden nach Auftreten beseitigt, muss mit schwerwiegenden Komplikationen gerechnet werden. Es sollte zunächst der Versuch einer sofortigen manuellen Reposition unternommen werden, bei dem der Arzt beim liegenden Patienten vorsichtig versucht, den Inhalt des Bruchsacks in die Bauchhöhle zurückzuschieben. Gelingt dies nicht, so darf keinerlei Zeit unnötig verstreichen, der Bruch muss unverzüglich operiert werden.

Was wird da heute gemacht?
In den meisten Fällen wird ein offenes chirurgisches Operationsverfahren bevorzugt, jedoch können grundsätzlich fast alle Brüche auch mit minimal-invasiver Technik operiert werden. Ein offenes chirurgisches Verfahren bedeutet einen ca. 7-10 cm langen Schnitt, während bei der minimal-invasiven Technik drei kleine Schnitte von etwa 1 cm Länge gemacht werden, durch die Arbeitskanäle für Optik und Instrumente eingebracht werden.
Alle Hernienoperationen folgen den gleichen Prinzipien:
• Freilegen von Bruchhüllen, Bruchsack und Bruchpforte
• Versorgung des Bruchinhalts, durch Abtragung oder Zurückschieben
• Beseitigung des Bruchsacks
• Verschluss der Bruchlücke und Wundverschluss
Um die Bruchlücke zu sichern und einem Wiederauftreten der Hernie vorzubeugen, wurden unterschiedliche Techniken entwickelt. Zu den Geläufigsten gehört die Stabilisation der Bauchwand nach Shouldice, die Verlagerung des Samenstranges beim Mann ins Unterhautgewebe nach Kirschner oder der Verschluss der Bruchpforte mit Hilfe des Cooper-Bandes nach McVay.
Die Ausgangsmethode ist das modifizierte Verfahren nach Bassini, meist kombiniert mit der oben beschriebenen Fasziendoppelung. Hierbei wird der Leistenkanal unter Verstärkung der Hinterwand rekonstruiert, die Muskelfaszie des innersten queren Bauchmuskels gedoppelt und die Sehnenplatte des inneren schrägen Bauchmuskels an das Leistenband angenäht. Ein neueres Verfahren ist die Einbringung eines Kunststoff-Netzes auf die verschlossene Bruchpforte. Dieses Netz soll mit dem umliegenden Gewebe vernarben und so die Haltbarkeit der Nähte verbessern.

Allen Verfahren gemeinsam ist die Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals als Schwachstelle der Bauchwand. Im einzelnen unterscheidet man die folgenden Verfahren:
• offene Nahtverfahren: Leistenschnitt und Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals durch Vernähen von Muskeln und Sehnenplatten, z. B. Verfahren nach "Shouldice"
• offene Techniken mit Kunststoffnetz: Leistenschnitt und Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals durch ein Kunststoffnetz, z. B. Verfahren nach "Lichtenstein"
• laparoskopische Verfahren mit Kunststoffnetz: Zugang zur Leiste von innen über eine Bauchspiegelung (Schlüsselloch-OP) und ebenfalls Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals durch ein Kunststoffnetz, z. B. sog. TAPP (TransAbdominelle Präperitoneale Patchplastik)

Ist Leistenbruch eine Routine-Op?
Ja, trotzdem sollte Ihr Operateur optimale Erfahrung mit dem Eingiff haben.

In der Regel verlaufen jedoch Operation und nachfolgende Heilung bei fachgerechter Behandlung komplikationslos. Ein Wiederauftreten des Bruchs an gleicher Stelle ist mit 5-10 % der Fälle relativ selten. Bei konstitutioneller, also angeborener Bindegewebsschwäche kann es oft auch zum Bruch auf der Gegenseite kommen. Zur Vermeidung von Rezidiven sollte für mindestens 3 Monate auf weiche Stuhlkonsistenz geachtet und für mindestens 3 Monate das Heben von schweren Lasten vermieden werden.

Wie lange dauert der stationäre Aufenthalt nach der OP?
Ambulant oder stationär bis zu 3 Tage.

Wann darf ich wieder etwas tragen?
Leichte Lasten nach 4-6 Wochen, schwere Lasten nach 3 Monaten.

Kann ich mit Bauchmuskeltraining einem Leistenbruch vorbeugen?
Eine Vorsorge ist nur sehr begrenzt möglich. Ratsam ist die Vermeidung bzw. Reduzierung von Übergewicht, gezieltes Training der Bauchmuskulatur und der Verzicht auf das Heben schwerer Lasten. Um starkes Pressen zu vermeiden, ist es wichtig, auf eine weiche Konsistenz des Stuhlgangs zu achten.
Durch diese sinnvollen Maßnahmen kann das Risiko für einen Leistenbruch zwar reduziert werden, aber insbesondere Menschen mit angeborener Bindegewebsschwäche sind auch bei guter Prophylaxe immer gefährdet.

 

Hier sehen Sie unser med.clip Video zur Diagnose und Behandlung eines Leistenbruchs.

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